Die Geschichte des Adventskalenders – Ursprung und Entwicklung
Für viele Menschen gehört der Adventskalender zur Weihnachtszeit wie der Tannenbaum oder die Pyramide. Seine Geschichte reicht jedoch nicht allzu weit zurück. Vor allem die kalendarische Version ist weit verbreitet, während der liturgische Kalender dem Kirchenjahr folgt und am ersten Adventssonntag beginnt und an Heiligabend oder Dreikönigstag endet. Unabhängig von der Variante dient der Adventskalender dazu, die Zeit bis Heiligabend zu verkürzen und die Vorfreude zu steigern.
Ursprung des Adventskalenders
Johann Heinrich Wichern und die ersten Adventskalender
Die Ursprünge des Adventskalenders lassen sich auf das Jahr 1838 zurückführen. Johann Heinrich Wichern, Leiter des evangelischen Knabenrettungshauses „Rauhes Haus“ bei Hamburg, entwickelte eine Methode, um den Kindern die verbleibenden Tage bis Weihnachten anschaulicher zu machen. Er nutzte ein altes Wagenrad und einen Holzkranz, auf dem er 20 kleine rote und vier große weiße Kerzen platzierte. Jeden Tag durfte eine rote Kerze und an den Adventssonntagen zusätzlich eine weiße Kerze angezündet werden. Diese tägliche Zeremonie mit Adventsliedern sollte den Kindern die verbleibenden Tage bis Weihnachten veranschaulichen.
Adventsbräuche in katholischen und protestantischen Familien
Während in der katholischen Kirche tägliche Adventsandachten stattfanden, stand bei den Protestanten das familiäre Zusammensein im Vordergrund. Die Familien lasen gemeinsam Bibelstellen, beteten und sangen Lieder. Um die abstrakte Zeit bis Weihnachten greifbar zu machen, entwickelten auch evangelische Eltern kreative Methoden, um ihren Kindern die Wartezeit bis zum Fest zu erleichtern.
Erste Formen des Adventskalenders
Bilder und Kreidestriche
Im Laufe der Zeit entstanden verschiedene Formen von Adventskalendern. Manche Familien hängten 24 weihnachtliche Bilder an die Wand oder zeichneten Kreidestriche an die Tür, die die Kinder täglich wegwischen durften. Auch Adventsbäumchen, bei denen täglich Fahnen oder Sterne mit Bibelversen angebracht wurden, waren beliebt. Diese zunehmenden Lichtzeichen symbolisierten die Ankunft des Lichts der Welt, Jesus Christus.
Adventsbäumchen und Adventskerzen
In katholischen Familien gab es ebenfalls kreative Ideen: Kinder durften bei gutem Benehmen täglich einen Strohhalm in die Krippe legen, damit das Jesuskind weich liegt. In Österreich entwickelte sich die „Himmelsleiter“, bei der das Christkind täglich eine Sprosse hinabstieg. In Skandinavien setzte sich die Adventskerze durch, die in 24 Abschnitte unterteilt war und täglich ein Stück abgebrannt wurde.
Gedruckte Adventskalender
Erste gedruckte Adventskalender
Der erste gedruckte Adventskalender wurde 1902 von der evangelischen Buchhandlung Friedrich Trümpler in Hamburg veröffentlicht. Ein Jahr später folgte der Münchner Verleger Gerhard Lang mit einem Kalender, bei dem Kinder täglich Bilder ausschneiden und einkleben konnten. Langs vielfältige und kunstvolle Kreationen führten zur weiten Verbreitung des Adventskalenders.
Gerhard Lang und seine Innovationen
Lang entwickelte immer wieder neue Ideen für Adventskalender. So folgten das „Christkindleinhaus zum Füllen mit Schokolade“, Adventskalender mit Füllungen zum Herausbrechen und Kalender, bei denen die Kinder Türchen öffnen konnten. Seine Motivation stammte angeblich von seiner Mutter, die ihm als Kind 24 „Wibele“ – eine Art schwäbisches Baisergebäck – auf Karton nähte, wovon er täglich eins essen durfte. Die hohe Qualität und Detailtreue von Langs Kalendern führten schnell zu höheren Auflagen und zur weiten Verbreitung des Adventskalenders.
Adventskalender im Nationalsozialismus
Veränderung der Adventszeit im Dritten Reich
Während des Nationalsozialismus versuchte die Regierung, christliche Weihnachtsbräuche aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen. Dennoch blieb der Adventskalender beliebt, und es wurden nationalsozialistisch geprägte Varianten wie „Vorweihnachten“ herausgegeben. Dieses Heft enthielt eine Auswahl an nationalsozialistischen Weihnachtsliedern, Rezepten und Bastelanleitungen für Weihnachtsbaumschmuck in Form von Runen und Sonnenrädern. Auch wurde die Adventszeit umgedeutet, Begriffe wie Adventskranz und Christkind erhielten neue, vermeintlich germanische Bezeichnungen.
Nachkriegszeit und Wiederaufleben der Tradition
Wiederentdeckung und Verbreitung des Adventskalenders
Nach dem Krieg kehrte der Adventskalender in seiner traditionellen Form zurück und erlangte weltweit große Beliebtheit. Richard Sellmer begann 1946 in Stuttgart mit der Herstellung und exportierte die Kalender bald nach Großbritannien und in die USA. Die Nachfrage stieg, und der Adventskalender wurde erneut populär.
Adventskalender als Massenware
In den 1950er Jahren wurde der Adventskalender zur Massenware und war nahezu überall erhältlich. Der erste Schokoladenadventskalender erschien 1958 und setzte neue Maßstäbe. Heute gibt es eine Vielzahl von Varianten, darunter Spielzeug-, Bilder- und Foto-Adventskalender.
Moderne Adventskalender
Digitale und kreative Adventskalender
Adventskalender sind mittlerweile nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene eine beliebte Tradition. Es gibt sogar digitale Adventskalender in Form von Apps, E-Mails und Gewinnspielen. Besonders beliebt sind selbstgebastelte Adventskalender zum Befüllen, wie die skandinavische Idee, Jutesäckchen an einer Leine aufzuhängen. Diese individuellen Kalender werden mit viel Leidenschaft gestaltet und erfreuen sich großer Beliebtheit.
Besondere Adventskalender
Es gibt auch außergewöhnliche Adventskalender, wie den größten freistehenden Kalender in Leipzig oder den teuersten im Londoner Kaufhaus Harrods, der luxuriöse Geschenke wie ein Motorboot enthielt.
Fazit: Der Adventskalender als Begleiter in der Weihnachtszeit
Das lateinische Wort „adventus“ bedeutet „Ankunft“ und steht für die geistige und seelische Vorbereitung auf das höchste christliche Fest des Jahres: die Geburt von Jesus Christus. Auch wenn sich Form, Art und Aussehen des Adventskalenders im Laufe der Zeit stark verändert haben, bleibt die Botschaft stets die gleiche: Freude bereiten und die Einzigartigkeit der Adventszeit hervorheben. Der Adventskalender verkürzt die Wartezeit auf Heiligabend und steigert die Vorfreude – bei Groß und Klein.